Plenum: 11.10.2023
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen | Abschließende Beratung
“ Im Notfall richtig versorgt – Notfallversorgung in Niedersachsen nachhaltig entlasten und neuausrichten“
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– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
im letzten Plenum haben wir über den Gesetzentwurf der CDU zu Gemeindenotfallsanitäter*innen diskutiert. Wir sind uns einig, dass die gesetzliche Regelung und endlich die abschließende Klärung der Finanzierung absolut notwendig sind und auch, dass dies zügig geschehen muss. Über den Weg dahin sind wir uns noch uneinig, aber es steht für alle oben auf der Agenda, wie alle Anträge – auch diese beiden heute – beweisen, denn in allen ist das Thema benannt.
Ich greife das heraus, denn die Gemeindenotfallsanitäter*innen sind ein gutes Beispiel dafür, wie aus Modellprojekten sinnvolle Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung entstehen. Ich wähle hier bewusst das Wort „Gesundheitsversorgung“, da der überwiegende Teil der Patient*innen, die die Gemeindenotfallsanitäter*innen versorgen, nach Behandlung auch zu Hause bleiben können und nicht in die Notaufnahme müssen. Dazu tragen auch kluge Menschen in den Leitstellen bei, die hier schon eine gute Kanalisierung vornehmen, also nicht den Rettungswagen schicken.
Anders sieht es aus beim Wählen der Telefonnummern 116 117. Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst ist nicht immer erreichbar – allein durch die eingeschränkten Bereitschaftszeiten – und allein deswegen landen einige Menschen mehr in ihrer Sorge bei der 112 oder in der Notaufnahme.
Auch wenn wir die Verantwortung für eine angemessene Inanspruchnahme der verschiedenen Sektoren auch bei den Menschen selber verbessern müssen, dürfen wir auch keine Angst aufbauen, in einer Notsituation auch die Anlaufstellen zu kontaktieren.
Wir müssen also hier umfassend unterstützen und das System weiterentwickeln: Den Menschen helfen und die Sektoren der Notfallversorgung entlasten. Eine Kanalisierung in die richtige Versorgungsstufe ist dafür ein adäquates Mittel. Deswegen formulieren wir in unserem Antrag auch jetzt schon die Vision der Entwicklung der Leitstellen in umfassenden Gesundheitsleitstellen. An den Weiterentwicklungen müssen die entsprechenden Akteur*innen und auch Kommunen maßgeblich beteiligt werden. Ziel ist ein einheitliches Qualitätsniveau inklusive entsprechender Weiterbildungen, damit egal ist, ob ich in Vechta (da läuft das übrigens super – Danke an dieser Stelle!) oder in Hannover die Leitstelle kontaktiere, überall funktioniert die bedarfsgerechte Kanalisierung gleichermaßen gut. Das schließt die adäquate Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen selbstverständlich mit ein!
Wie überall in den Reformen der Gesundheitsversorgung sind auch hier die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und deren Möglichkeiten auszuschöpfen. Ich hatte es heute Morgen schon mal gesagt: Hier geht es nicht darum, bestehende Prozesse zu elektrifizieren, sondern die Gesundheitsversorgung der Menschen durch Digitalisierung zu verbessern, wie auch Bürokratie abzubauen. Das gilt auch für die Notfallversorgung. Hier steckt noch viel Potential!
Wir haben hier in Niedersachsen in der Enquetekommission schon vieles vorbedacht. Im Bund laufen Reformprozesse, die mit unseren in Wechselwirkung stehen. Wir müssen also die unter Einbeziehung vieler Akteur*innen entwickelten Maßnahmen umsetzen und den Austausch mit dem Bund intensiv pflegen damit die Prozesse harmonierst sind.
Es bedarf umfassender Reformprozesse, um unsere Notfallversorgung zeitgemäß aufzustellen. Darin sind wir uns einig. Da unser rot-grüner Antrag jedoch weitreichender ist als der von Ihnen, liebe CDU, bedauern wir es sehr, dass Sie sich dem nicht anschließen konnten. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie ihn unterstützen und konstruktiv an der Umsetzung mitarbeiten.
Plenum: 11.10.2023
Antrag der Fraktion der AfD | Beschlussempfehlung:
„Spezialisierte Anlaufstellen für Menschen mit Impfschäden einrichten und etablieren“
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– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
das COVID-19 Forschungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI) hat letzte Woche ein erstes Resümee gezogen. COFONI soll damit dazu beitragen, wissenschaftlich interdisziplinär die Folgen der Pandemie aufbereiten, damit wir daraus lernen: medizinisch, gesellschaftlich und politisch.
Menschen, die sich gegen Corona haben impfen lassen, sind Menschen, die sich in der Pandemie solidarisch für die Gesellschaft eingesetzt haben und die der medizinischen Versorgung und auch der Politik vertrauen. Wie in der Pandemie leider geschehen, darf es nicht passieren, dass solidarische Menschen benachteiligt werden. Z.B. Kinder, Jugendliche, vulnerable Menschen.
Also treten nun Nebenwirkungen oder Schäden in Folge der Impfungen auf, so sind die Menschen selbstverständlich bestmöglich zu behandeln.
Deswegen ist die Fortsetzung der Forschung, die die Komplexität hier berücksichtigt, unabdingbar. Denn leider können die sehr komplexen Krankheitsbilder noch nicht umfassend zielgerichtet therapiert werden. Gleiches gilt für Long- oder Post-Covid, die in der Symptomatik ähnlich sind.
Die Landesregierung hat sich auf den Weg gemacht und zusammen mit der MHH hier die Strukturen verbessert. Die eingerichtete Anlaufstelle zur Beratung aller Krankheitsmuster im Kontext von Covid gibt den Betroffenen Hilfestellung und Orientierung. Eine bestmögliche medizinische und auch sozialrechtliche Beratung zu bekommen ist für alle erkrankten Menschen in Folge von Covid oder in Folge einer Impfung notwendig.
Das Forschungsnetzwerk, die Uniklinken, die Ärzt*innenschaft, die Rehaklinken und die Landesregierung sind hier ressortübergreifend auf einem guten Weg. Bitte dranbleiben!
In Folge ist dieser Antrag der AfD überflüssig.
Plenum: 11.10.2023
Antwort auf den Antrag der Fraktion der SPD | Aktuelle Stunde:
„Konzertierte Aktion Pflege in Niedersachsen – gute Pflege demografiefest aufstellen!“
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– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
es freut mich, dass die SPD „Pflege“ als Thema für ihre Aktuelle Stunde ausgewählt hat. Damit bekommt das Thema die Aktualität, die es verdient. Die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt seit Jahren. 2021 waren es schon über eine halbe Millionen Menschen bei uns in Niedersachsen. Der größte Anteil davon – 82 % – wird zu Hause von Angehörigen gepflegt. Teilweise mit Unterstützung eines ambulanten Pflegdienstes.
Die Landesarmutskonferenz verweist zu recht auf das Armutsrisiko. bei Pflege. Sowohl für die Pflegebedürftigen selbst, da der Eigenanteil in der Stationären Pflege sehr hoch ist, sowie der Verdienstausfall, der gegebenenfalls dazu kommt. Zudem birgt Pflege aber auch ein Armutsrisiko für die pflegenden Menschen. Viele gehen dafür in Teilzeit, geben ihren Job auf, mit allen Folgen für die persönlichen beruflichen Entwicklungen und zahlen zudem nicht mehr in die Rentenkasse ein.
Deswegen ist es wichtig, dass einer der Schwerpunkte der Konzertierten Aktion Pflege (KAP.Ni) die Pflegenden An- und Zugehörigen sind.
Den Fokus hier auf die Unterstützung der Pflegenden und gute kommunale Strukturen zu legen, ist wichtig. Ziel muss es sein, hier die Angebote niederschwellig zu gestalten und vor allem auch im Ländlichen Raum zu ermöglichen.
Bevor ich zum Dauerbrenner Fachkräftemangel komme, lassen Sie mich noch einen mir sehr wichtigen Punkt anbringen:
Wir müssen „Pflege“ an sich viel differenzierter in den Blick nehmen. „Die Pflege“ an sich gibt es nicht.
Sowohl in Hinsicht auf den Ort – ambulant, stationär, in der Klinik oder zu Hause – ist sie zu unterscheiden, wie auch bei den zu pflegenden Menschen.
Oftmals sind das ältere Menschen, aber es ist nicht zu vergessen, dass es auch viele Kinder, Jugendliche und Menschen mittleren Alters gibt, die pflegebedürftig sind oder klinisch versorgt werden müssen. Zudem ist der Pflegebedarf der verschiedenen Geschlechter unterschiedlich und auch muss eine Kultursensibilität in der Pflege Beachtung finden. Diese Vielfalt der pflegbedürftigen Menschen muss sich deswegen auch in der Pflege wiederspiegeln. Das sind wichtige Aspekte, die auch in die Aus- und Weiterbildung gehören.
Nun zum Fachkräftemangel. Es ist natürlich außerordentlich wichtig, dass KAP.Ni hier einen weiteren Schwerpunkt setzt. Ob eine Weiterentwicklung und Ausbau der Ausbildung auf allen Ebenen, eine verbesserte Durchlässigkeit des Systems oder die Verbesserung der Arbeitssituation – überall besteht dringender Handlungsbedarf. Nicht alles davon wird auf politischer Ebene lösbar sein. Auch die Einrichtungen stehen hier in der Verantwortung für eine gute Unternehmenskultur und einen guten Arbeitsplatz. Ebenso die Kommunen, z.B. durch ausreichend Kita-Plätze oder einen guten Lebensraum.
Die Notwendigkeit der Entbürokratisierung ist allen klar, deswegen nur noch eine Anmerkung zur Digitalisierung: Nutzen wir diese Chance! Und zwar nicht, indem wir Formulare elektrifizieren, sondern indem wir Daten sinnvoll verknüpfen, Patient*innenenwohl stärken, Informationen zielgerichtet zusammenstellen und weitergeben, Diagnostik unterstützen und viel viel mehr. Die Digitalisierung – klug genutzt – hilft allen und kann Leben besser machen und sogar retten. Und hier können und sollten wir von anderen europäischen Ländern lernen. Lassen Sie uns also hier investieren. Zum Wohle aller.
Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung abschließen: Quer zu allen Schwerpunkten muss das Thema „Faire Pflege“ stehen. Das ist einer der für mich wichtigsten Punkte, den ich auch aus dem Austausch mit Betroffenen mitgenommen habe. Eigentlich selbstverständlich, aber leider in der Realität noch keine Praxis. Deswegen haben wir gerade hier noch viel zu tun!
Was also völlig unstrittig ist: Pflege betrifft uns alle. Pflege braucht Weiterentwicklung. Und zwar jetzt. Deswegen, dieses Thema ist hochaktuell und ich danke der SPD hier für den politischen Fokus heute. Lassen Sie ihn uns gemeinsam intensiv weiter bearbeiten und voranbringen. Denn hier können wir nun wirklich nicht mehr warten!
Plenum: 13.09.2023
Antwort auf den Antrag der Fraktion der AfD | Erste Beratung:
„Insolvenzgefährdete Krankenhäuser unterstützen – Krankenhausfonds nach dem Vorbild Baden-Württembergs auch in Niedersachsen?“
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen! Unter dem Hashtag „Jetzt handeln“ findet am 20. September am Opernplatz in Hannover eine Protestkundgebung zur Rettung der Krankenhäuser statt. Und das ist auch notwendig. Ich möchte Sie hiermit dazu aufrufen, daran gerne teilzunehmen.
Wir haben es gerade gehört: Das aktuelle Defizit der Krankenhäuser allein in Niedersachsen beläuft sich in der Summe auf fast 750 Millionen Euro. Vor allem die Corona-Pandemie, die stark gestiegenen Energiekosten, die hohe Inflation und auch die berechtigten Tarifsteigerungen bringen die Krankenhäuser in existenzielle Bedrohung. Dazu kommt der milliardenschwere Investitionsstau.
Diese Situation ist in jeder Form dramatisch. Keinesfalls darf es bis zu einer strukturierten Umsetzung der Krankenhausreform zu einem ungeordneten Kliniksterben kommen. Deswegen ist es notwendig, dass alle Akteur*innen das tun, was sie tun können, um dem entgegenzuwirken.
Jetzt komme ich darauf zurück, was Sie, Herr Dr. Rakicky, gerade sagten: Das Land ist für die Investitionen zuständig. – Und da liefert das Land auch. Es ist schon Mitte Juli bekannt geworden, dass es eine Investitionsoffensive in Höhe von 3 Milliarden Euro geben wird, bestehend aus einem Krankenhausinvestitionsprogramm noch 2023, Investitionen in die großen Zentralklinikbauvorhaben sowie einer Langfriststrategie zur Investitionsförderung. Allein in diesem Haushaltsentwurf 2024 sind Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von fast 2 Milliarden Euro veranschlagt.
Das sind überaus wichtige Investitionen. Und sie sind nötig, damit die Krankenhäuser ihre Qualität halten und auch verbessern können.
Aber ich möchte zu bedenken geben, dass auch die Mittel des Landes endlich sind. Diese Mittel, die wir für die Krankenhäuser seitens des Landes eingeplant haben, zeigen deswegen umso mehr die hohe Priorität dieses Bereichs für die Landesregierung.
Der Bund ist verantwortlich für die Betriebskosten der Kliniken. Deswegen muss der Bund Gelder bereitstellen, die den Krankhäusern das Überleben an dieser Stelle sichern. Wir sind in einer Übergangszeit bis zur Krankenhausreform, ab der dann auch neue Finanzierungsmodelle greifen. Die Zeit bis dahin muss finanziell überbrückt werden. Das kann ein Vorschaltgesetz, können Transfergelder, Akuthilfen oder Ähnliches sein. Aber egal, wie es genannt wird: Der Bund ist hier in der Verantwortung.
Wenn wir ihm diese Verantwortung abnehmen würden, bräuchten wir in Niedersachsen wesentlich mehr als den Fonds, wie Baden-Württemberg ihn auf den Weg gebracht hat. Dieser würde wenig helfen. Diese ins System gepumpten 126 Millionen Euro wären bei uns leider schnell verpufft. Was dann aber nicht mehr möglich wäre ‑ noch mal zur Erinnerung: Unser Geld ist endlich ‑: dem Stau an notwendigen Investitionen angemessen zu begegnen. Die maroden Klinken würden maroder, laufende Reformprozesse müssten gestoppt werden. Das allein wäre eine absolut unverantwortliche Geldverschwendung.
Die Qualität der Versorgung wäre allein dadurch akut in Gefahr, dass der Bau der drei Großkliniken und damit ein wichtiger Baustein in der Absicherung der flächendeckenden Versorgung so mitunter nicht umgesetzt werden könnte. Diese überaus notwendigen Entwicklungsprozesse, für die wir als Land die Verantwortung tragen, wären gefährdet. Und das können wir nicht verantworten.
Nein, der Bund ist hier in der Verantwortung, und wir dürfen nicht müde werden, ihn auch in die Verantwortung zu nehmen, bis der Krankenhausreformprozess, den die Bundesebene ja durchaus angestoßen hat, realisiert wird. Wenn wir eine strukturierte Weiterentwicklung unserer Krankenhauslandschaft wollen, dann müssen wir dahin wirken, dass der Bund dieser Verpflichtung nachkommt. Denn eine Nichterfüllung dieser Verpflichtung gefährdet die Versorgung akut und ist fahrlässig gegenüber den Menschen hier bei uns im Land und auch in den anderen Bundesländern. Denn dort sieht es leider nicht anders aus.
Also ja, die Krankenhäuser brauchen definitiv finanzielle Unterstützung, um vor allen Dingen die Inflation wie auch Tarifsteigrungen zu refinanzieren. Wir als Land übernehmen die Verantwortung für die Investitionen. Wir müssen den Bund in die Verantwortung nehmen, die Finanzierung der Betriebskosten wahrzunehmen. Der Druck darf an dieser Stelle nicht nachlassen!
Plenum: 23.06.2023
Antwort auf den Antrag der Fraktion der CDU | Erste Beratung:
„Personalsituation in der Pflege stärken“ – Situation für Patienten und Pflegekräfte verbessern
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Alle, ein wenig verwirrt habe ich Ihren Antrag gelesen. Die Überschrift „Personalsituation in der Pflege stärken – Situation für Patienten und Pflegekräfte verbessern“ verspricht eine Forderung, der widerspruchslos zuzustimmen wäre. Aber dann wird es uneinheitlich. Sie werfen Pflege in einen Topf ohne zu differenzieren, beziehen sich dann jedoch nur auf die Pflege in Pflegheimen und Krankenhäuser und ambulante Pflege bleibt komplett außen vor. Ganz zu schweigen, dass Pädiatrie oder Intensivpflege auch nur Erwähnung finden würden. Der Komplexität der Situation werden Sie so in keinster Weise gerecht. Und ohne die Notwendigkeit der Pflegeinrichtungen schmälern zu wollen, müssen wir besonders auch auf die Situation der pflegenden Angehörigen in den Blick nehmen, denn das sind die, die in der Regel unterstützt von ambulanter Pflege und Hausärzt*innen pflegen. Ja, der Fachkräftemangel in der Pflege ist ein riesengroßes Problem und es wird noch viel größer, wenn wir nicht jetzt handeln. Und das braucht eine komplexe Form von Maßnahmen und lässt sich nicht auf eine einjährige Pfleghelfer*innenausbildung reduzieren. Denn gerade in der Pflege brauchen wir sie alle: Helfer*innen, Assistent*innen, Pflegefachkräfte und spezialisierte Pflegefachkräfte. Gerade deswegen müssen wir uns auch nochmal die Frage nach dem Pro und Contra der Generalistik stellen. Wir brauchen die Pflegekräfte überall, aber wir brauchen sie definitiv auch spezialisiert und in der Praxis auf allen Ausbildungsleveln einsetzbar. Zudem wird jede neue Ausbildungsform wird nichts nutzen, wenn Menschen den Beruf wieder schnell verlassen, weil die Bedingungen so unattraktiv sind. Wir haben in Deutschland mindestens 300.000, optimistisch gerechnet sogar 6000.000, Vollzeit-Pflegekräfte, die sofern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern, in den Beruf zurückkehren würden. Wir müssen also eigentlich alles gleichzeitig tun: Arbeitsbedingungen verbessern, Ausbildung auf allen Entwicklungsstufen attraktiv, praxistauglich und durchlässig gestalten und ausländische Fachkräfte verbesserten Einstieg ermöglichen. Demographisch wird aber auch das nicht retten, deswegen müssen wir gleichzeitig die medizinische Versorgung insgesamt anpacken und auch regionale Chancen ergreifen. Liebe CDU, erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, es gäbe hier einfache Antworten und nehmen Sie die Arbeitgeber*innen nicht aus der Pflicht. In einer Sache bin ich aber dabei: Wir müssen hier schnell tätig werden und dürfen keine Zeit verlieren.
Plenum: 21.06.2023
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
„Kein Platz für Gewalt an Frauen und Mädchen“ Istanbul-Konvention strategisch und ressort-übergreifend umsetzen – Koordinierungsstelle einrichten
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Alle! die Zahlen an angezeigter häuslicher Gewalt haben 2022 erschreckend zugenommen. In Niedersachsen sind die angezeigten Fälle um über 11% angestiegen. Das ist das Hellfeld! In meinem privaten Umfeld wurde diese Woche erneut ein Mädchen am hellichten Tag am Bahnhof belästigt. (Bevor jemand fragt: von einem deutschen Mann mittleren Alters). Im Flurgespräch unter Kolleginnen stellten wir wieder mal fest, dass es für uns alle unfassbarer Weise Alltag ist, dass wir auf Partys Übergriffigkeiten ausgesetzt sind. Auf der Flucht vergewaltigte Frauen und Mädchen werden hier in kollektiven Unterkünften untergebracht, ohne Möglichkeiten adäquaten sicheren Lebens und fachlicher Unterstützung. Die Formen von Gewalt gegen Frauen sind sowohl was den Ort angeht und in der Art und Weise vielfältig. Je ausgelieferter die Frauen, je höher ist allerdings die Gefahr von Übergriffen. Das zeigt sich z.B. bei Frauen mit Behinderungen, die in betreuten Einrichtungen leben. Ich sage es hier noch mal laut und deutlich und Sie können mir glauben, am liebsten würde ich es herausschreien: Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist niemals hinnehmbar. Es ist deshalb sehr wichtig, mit diesem Antrag dafür zu sorgen, den ressortübergreifenden Schutz auszubauen. Wir brauchen Beratungsstellen, Schutzkonzepte, Schutzhäuser und bessere Gesetzgebung. Aber ich muss an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Frauen, Menschen, sollen sich nicht vor Gewalt schützen müssen, wir wollen nicht in Angst leben. Wir wollen zu jeder Tages- und Nachtzeit ohne Angst im eigenen Zuhause leben, wie auch durch die Straßen gehen können. In meiner Plenumsmappe klebt (natürlich innen) ein Aufkleber, auf dem steht: „Ich will kein verdammtes Pfefferspray, ich will Veränderung!“. An dieser Veränderung müssen wir hier strategisch, ressortübergreifend und zentral koordiniert arbeiten. Sicher zu leben ist unser Recht. Die Istanbul Konvention schafft dafür Rahmenbedingungen, die die Breite der Handlungsfelder benennt. Lassen Sie uns mit den geforderten Maßnahmen starten. Ja, liebe CDU, das geht nicht weit genug. Aber das ist ein erster wichtiger Schritt. Gerne gehen wir noch viele weitere zusammen. Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann frage ich wirklich, wofür Sie stehen.
Plenum: 20.06.2023
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
„Im Notfall richtig versorgt – Notfallversorgung in Niedersachsen nachhaltig entlasten und neuausrichten!“
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Alle! „Qualitativ hochwertig“, „bedarfsgerecht“, „überall im Flächenland“ waren die Kriterien, die Minister Philippi gerade genannt hat. All das gilt natürlich genauso für die Akut- und Notfallversorgung. Sie ist ein besonderer und wichtiger Baustein der Krankenhausreform. Sie löst natürlich Ängste aus. Wenn sich in der Notfallversorgung etwas verändert, macht das Menschen unruhig; denn oft suggeriert die Nähe eines kleinen Krankenhauses mit einer Notaufnahme eine vermeintliche Sicherheit, die aber im Endeffekt nicht da ist. Ganz im Gegenteil! Wir haben in Deutschland leider nach wie vor eine zu hohe Anzahl vermeidbarer Todesfälle und auch Langzeitfolgen bei Notfällen. Das liegt auch daran, dass die nahe Versorgung eben nicht immer die qualitativ und bedarfsgerecht passende ist. Genau deshalb ist es entscheidend, dass wir die Menschen auch bei diesen anstehenden Veränderungsprozessen in der Gesundheitsversorgung mitnehmen, ihnen Ängste nehmen und vor allem ihr Vertrauen gewinnen, dass sie gerade im Notfall ‑ aber auch ansonsten ‑ immer gut versorgt sind, und zwar im ganzen Flächenland Niedersachsen. Genau dafür müssen wir alle Sektoren der Notfallversorgung besonders genau in den Blick nehmen und verzahnt mit der Krankenhausreform die notwendigen Veränderungen anstoßen. Genau hier setzt unser Antrag an. Im Fokus steht die Schaffung guter Strukturen mit einer guten Mischung aus Zentralisierung und Dezentralisierung. Auch hier müssen wir die ‑ allein schon demografisch bedingt ‑ weniger werdenden Fachkräfte mit ihrer hohen Fachkompetenz für die Versorgung im Notfall sehr gezielt einsetzen. Frau Dr. Wernstedt hat es schon ausgeführt. Dazu gehört als Schlüsselrolle der Einsatz in den Leitstellen. Im Rettungsdienst wie auch im kassenärztlichen Notdienst müssen die eingehenden Fälle vom Fachpersonal richtig eingeschätzt werden, um ‑ das ist später das Entscheidende ‑ die Kanalisierung in die richtige Versorgungsebene zu gewährleisten. Zu den erforderlichen Strukturen gehört aber auch der Aufbau Integrierter Notfallzentren. Hierzu möchte ich besonders darauf hinweisen, dass es dabei auch um den Aufbau von Integrierten Notfallzentren insbesondere für Kinder und Jugendliche geht, damit diese nicht wieder hinten runterfallen. Diese Notfallzentren werden gemäß Krankenhausreform in den entsprechenden Leveln der Krankenhäuser aufgebaut und gegebenenfalls regional auch durch weitere ergänzt, damit es überall im Flächenland eine gute Erreichbarkeit gibt. Ergänzend wird es eine wichtige Rolle spielen, die weiteren zur Verfügung stehenden Bausteine regional sehr spezifisch und klug zu nutzen: Das sind die Gemeindenotfallsanitäter*innen, das sind telemedizinische Angebote, das ist auch die Einbindung ambulanter Pflegedienste, und das ist die sektorenübergreifende Versorgung. Alles Weitere wird in den Modellregionen vor Ort weiter erprobt und entwickelt. Genau da setzen wir an. Wir schließen mit der Reform der Notfallversorgung also auch an die Krankenhausreform an. Qualität und Erfahrung sind auch im Notfall entscheidend für das gegebenenfalls auf dem Spiel stehende Überleben der Patient*innen. Das müssen wir überall im Land gut erklären, damit den Menschen Ängste genommen werden und wir sie mitnehmen. Deswegen bitte ich Sie: Lassen Sie uns zusammen ‑ vor allen Dingen auch zusammen mit den Fachexpert*innen ‑ weiterhin daran arbeiten, dass wir die notwendige Reform des Gesundheitswesens gemeinsam gestalten, wie mein Kollege gerade schon sagte: für gesunde und lang lebende Menschen überall hier in Niedersachsen! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Plenum: 04.05.2023
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
„Kein Platz für Gewalt an Frauen und Mädchen: Istanbul-Konvention strategisch und ressortübergreifend umsetzen – Koordinierungsstelle einrichten“
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Herr Präsident! Liebe Alle! Seit 2023 gilt auch in Deutschland endlich die Istanbul-Konvention uneingeschränkt. „Istanbul-Konvention“ steht für das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung ‑ also zur Prävention ‑ und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Die Istanbul-Konvention formuliert also das, was hier bei uns in Niedersachsen genauso wie überall auf der Welt gelten muss: Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen, Gewalt zu verhüten und jede Form von Diskriminierung der Frauen zu beseitigen, patriarchale Strukturen beenden und eine echte Gleichstellung zu realisieren. Wichtig ist dabei: Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten zur Umsetzung dieser Ziele. Aber leider sind wir davon auch bei uns noch weit entferntGucken wir auf das Thema häusliche Gewalt: 80 % der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen. Bei den Straftaten Bedrohung, Stalking und Nötigung in der Partnerschaft waren die Opfer sogar zu rund 86 % weiblich. Erfasste Straftaten sind Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Bedrohung, Stalking, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Täter waren dabei überwiegend der Ehemann, (Ex-)Partner oder männliche Angehörige. Ich möchte aber, dass klarer wird, was diese Zahlen bedeuten: Alle 4,5 Minuten wird eine Frau in Deutschland Opfer partnerschaftlicher Gewalt – also während dieser Rede fast zwei Frauen. Alle 45 Minuten wird eine Frau Opfer schwerer körperlicher Gewalt. Das bedeutet, in unserer Mittagspause sind das zwei Frauen. Alle 2,5 Stunden wird eine Frau Opfer von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sexuellen Übergriffen. Das sind seit dem Aufstehen heute Morgen bis jetzt ungefähr drei Frauen. Insgesamt starb 2021 fast jeden dritten Tag eine Frau durch partnerschaftliche Gewalt, und bald an jedem Tag fand ein Tötungsversuch statt. Ich möchte, dass Sie sich klarmachen: jeden Tag. Häusliche Gewalt zieht sich durch alle sozialen Schichten und Milieus. Alle diese Daten beruhen nur auf den polizeilich registrierten Fällen. Es gibt ‑ davon können wir ausgehen ‑ eine hohe Dunkelziffer; denn es ist sicherlich verständlich, dass Frauen hier vielfach schweigen und sich nicht an eine Beratungsstelle und schon gar nicht an die Polizei wenden und die Taten anzeigen. Aber Gewalt findet nicht nur hinter verschlossenen Türen und im privaten Umfeld statt, sondern auch im öffentlichen Raum, im digitalen Raum ‑ dazu haben wir heute Morgen schon sehr viel gehört ‑ oder auch durch Institutionen. Manche Frauen sind stärker betroffen. Dazu hat Frau Camuz heute Morgen schon deutlicher ausgeführt. Es betrifft nämlich mehrfach marginalisierte Personen, beispielsweise arme Frauen mit prekären Arbeitsverhältnissen, Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder Frauen mit einer Behinderung – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber auch Frauen, die trans sind, sind besonders gefährdet, weil sie weniger Zugang zu Schutzräumen haben und weniger Unterstützung bekommen. Was zudem immer noch vielfach vergessen wird, ist: Die Istanbul-Konvention dient auch dem Schutz unserer Kinder. So ist z. B. die Berücksichtigung von gewalttätigen Vorfällen bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht zu berücksichtigen. Dazu wurde erst jüngst in einer Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung wieder berichtet, dass dies noch nicht immer zu wenig Beachtung findet, mit fatalen Folgen für die Kinder. Auch die Deutschen Kinderhilfe hat hierzu erst vor Kurzem ein Statement veröffentlicht. Wir sind mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention eine Verpflichtung eingegangen: Alle staatlichen Organe ‑ darunter Gesetzgeber, Gerichte und Strafverfolgungsbehörden ‑ haben die Verpflichtung, die Konvention umzusetzen. Gewaltschutz muss also stets Beachtung finden. Aber eigentlich, liebe Kolleg*innen, wünsche ich mir, dass wir diese Verpflichtung gar nicht brauchen. Denn es ist unsere Verantwortung als Gesellschaft, als Mitmenschen, so zu handeln. Und es ist unsere Verantwortung als Politiker*innen, alles für ein gewalt- und angstfreies Leben, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Aussehen und sozialer Lage, zu tun. Denn Gewalt ist niemals Privatsache. Und deswegen beantragen wir mit der Hoffnung auf volle Unterstützung durch dieses Parlament die Einrichtung einer Koordinierungsstelle gemäß Artikel 10 der Istanbul-Konvention als zentrales Element. Bisher gibt es schon an vielen Stellen Anlaufstellen zur Beratung, es gibt Frauenhäuser und weitere Unterstützungsmaßnahmen, die alle Großartiges leisten, allerdings meistens unter unsicheren Finanzierungsbedingungen und mit unzureichender Vernetzung. Was fehlt, ist eine Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Hier setzt die Koordinierungsstelle an. Sie koordiniert die ressortübergreifende Umsetzung. Sie wirkt als zentrale Vernetzung, die auch nichtstaatliche Stellen und die Zivilgesellschaft einbindet. Damit komme ich zu Punkt 2 unseres Antrags: Wir beantragen, dass neben der Präventionsarbeit das Unterstützungs- und Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen gemeinsam mit den Kommunen weiter ausgebaut wird und der Blick dabei besonders auf die Bedarfe von Frauen in besonderen Lebenslagen gerichtet wird. Ein paar davon habe ich eben erwähnt. Und ich möchte noch ergänzen: Wichtig ist hierbei die Erreichbarkeit für dieses Hilfe- und Unterstützungssystem im ganzen Flächenland! Ein wichtiger Punkt ist natürlich, dass wir dabei mit dem Bund zusammenarbeiten und dessen Unterstützung erhalten. Deswegen bitten wir die Landesregierung im dritten Punkt, sich weiter auf Bundesebene für einen einheitlichen Rechtsrahmen bei der Frauenhausfinanzierung und eine stärkere Beteiligung des Bundes bei der Finanzierung von Gewaltschutzeinrichtungen einzusetzen. Aber das wird nicht reichen. Deswegen ist es erforderlich, dass wir das auch dauerhaft in unsere Mittelplanung aufnehmen. Deswegen bitten wir darum, die Mittel zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Niedersachsen dauerhaft bereitzustellen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen muss flächendeckend verhindert und bekämpft werden. Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist ein wichtiger Schritt zum Schutz von Frauen, Mädchen und Kindern vor häuslicher und sexualisierter Gewalt. Gewaltschutz ist eine ressortübergreifende Aufgabe und erfordert eine Gesamtstrategie. Diese Gesamtstrategie gilt es, voranzubringen, und dafür bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.