Es ist wohl unmöglich, sich in einem kleinen Blogartikel dem Thema soziale Gerechtigkeit angemessen zu näheren, es dann auch noch im globalen Kontext zu betrachten und dann auch die Besonderheiten dieser Zeit – eine weltweite Pandemie – zu berücksichtigen. Dennoch möchte ich heute, am „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ in paar „Blitzlichter“ auf das Thema werfen. Denn die derzeitige Krise verstärkt zum einen soziale Ungleichheiten, macht diese aber auch stärker sichtbar und gibt uns damit die Chance, uns gezielt für mehr Gerechtigkeit einzusetzen.
Nur bis zum Tellerrand
Den größten Preis zahlen global betrachtet vor allem die Ärmsten. Arme werden ärmer, weil sie Jobverluste, Krankheit und zusätzliche Sorgearbeit nicht durch Rücklagen oder ein gut funktionierendes soziales System überbrücken können.
Vielen Menschen drohen in armen Ländern, oder vor unserer Haustür, Hungersnöte. Impfungen erfolgen v.a. in den armen Ländern nur schleppend. In vielen Staaten drohen Finanzkrisen. Angesichts der Krise im eigenen Land, nehmen wir dies jedoch nur wenig bis gar nicht wahr.
Flüchtende Menschen leben – in Europa! – in Lagern, eingefercht, in Kälte, Nässe, unter miesen Hygienebedingungen, hungrig. Es gibt quasi keinen Schutz vor Corona oder anderen Erkrankungen.
Eine weltweite Krise heißt für die Weltengemeinschaft noch lange nicht, dass sie solidarisch oder gar schützend agiert. Auch wenn dies katastrophale Folgen für ärmere Menschen hat. Nicht mal unter dem Aspekt, dass dies sogar katastrophale Folgen für unsere eigene Gesundheit haben kann, z.B. durch die ungehinderte Mutation des Coronavirus.
Soziale Netze werden brüchig
Auch in Deutschland haben Ungleichheiten zugenommen. Menschen, die vorher schon eher am Rand der Gesellschaft lebten, werden noch mehr ins Abseits gedrängt. Sie trifft die Situation besonders hart. Oft sind sie gesundheitlich besonders gefährdet, aber auch besonders von Einsamkeit betroffen. Die Teilhabe an der Gesellschaft, an Bildung, an gesundheitlicher Versorgung verringert sich vielfach drastisch. Kinder und junge Menschen, alte Menschen, erkrankte Menschen, Menschen ohne feste Jobs, Menschen ohne ein Zuhause. Sie werden wenig gesehen. Sie haben so gut wie keine Lobby.
Systemrelevant = Held*in = am Ende
Die eigentlichen Held*innen dieser Zeit, Menschen in systemrelevanten Berufen, merken defakto von ihrem „Held*innenstatus“ wenig. Sie müssen sich derzeit einem hohen gesundheitlichen Risiko sowie starken psychischen Belastungen aussetzen. Das bei gleichzeitig geringer Bezahlung und herausfordernden Arbeitsbedingungen. Viele dieser Beschäftigten sind Frauen. Neben der Frage, nach angemessenen Arbeitsbedingungen ließe sich hier noch das Thema „Einkommenschere“ als Ungerechtigkeitsargument aufmachen. Oft heißt es dann „Die Berufe, haben sich die (Frauen) ja selber ausgesucht.“ Ja, aber das ist kein Grund, dass solche Berufe, ob von Frauen, Männern oder wem auch immer, ausgeübt, nicht angemessen für ihre Arbeit bezahlt werden. Denn welche Arbeit, ist uns wie viel wert? Gerade das sollten wir endlich mal angemessen bewerten. Wir merken derzeit so deutlich wie sonst nie, welche Berufe uns tatsächlich das Überleben sichern.
Zuhören, wahrnehmen, was tun
Wir haben derzeit, die große Chance, unserer Welt ein wenig gerechter zu machen. Dafür gilt es den Fokus der Gesellschaft und Politik auf die sozialen Ungerechtigkeiten zu richten und hier zu agieren, z.B. durch gezielte Hilfsprogramme dort, wo die Not am größten ist. Ein paar Beispiele gibt es oben. Ein wichtiger Aspekt ist, es sind oft nicht die, die wir hören, die die Hilfe am nötigsten haben, sondern die, die wir nicht sehen, hören, wahrnehmen. Die, die keine Lobby haben. Wir müssen also unserer Aufmerksamkeit neu ausrichten, um dort zu handeln, wo es am nötigsten ist.
Ziel muss sein, allen Menschen ein menschwürdiges Leben zu ermöglichen und die Teilhabe an Gesellschaft, Bildung und Arbeit zu ermöglichen. Nicht zu vergessen dabei ist, dass essentiell dafür die Sorge für eine gesunde Umwelt ist. Denn diese bietet uns die substantielle Lebensgrundlage und den Lebensraum. Wir haben die Chance, in dieser Krise zu lernen, zum Wohle aller. Nutzen wir sie.